Freitag, 29. Januar 2010

Revolver Heft 21


Das neue Revolverheft ist erschienen. Bei Lektüre der zwei Interviews, die ich in den Vorfassungen nicht gelesen hatte, fiel mir auf, wie unterschiedlich der Interviewstil sein kann. Ich fand immer die Dokumentarfilme von Eberhard Fechner beeindruckend, in denen der Interviewer scheinbar vollständig zurücktritt und nur durch die Antworten, durch Auswahl und Arrangement, also durch den Schnitt in Erscheinung tritt. Diese Zurücknahme hat auf jeden Fall den Effekt, dass sie die besondere Möglichkeit des Dokumentarfilms, Menschen zu zeigen und ihnen eine Stimme zu geben, die normalerweise nicht in Filmen auftreten, hervorkehrt und die Selbstdarstellung des Filmemachers auf die technische und dramaturgische Zubereitung beschränkt. Wenn man in dieser zurückgenommenen Form Interviews führt, kann das außerordentliche Ergebnisse haben. Heinrich Breloer, bei dem ich einmal als zweiter Regieassistent mitgewirkt habe, ist es als Interviewer immer wieder gelungen, erstaunliche Aussagen einzufangen, weil er sich dümmer gestellt hat, als er war. Das gibt dem Interviewpartner das Gefühl überlegen zu sein - die Voraussetzung für ungewollte Preisgabe. Es gibt aber auch Interviewpartner, die in einer solchen Situation enttäuscht sind. So ist mir das selbst zuletzt bei Hebe Kohlbrügge passiert, einer inzwischen über 90-jährigen niederländischen Protestantin, die zur bekennenden Kirche gehörte. Sie hatte sich offenbar auf eine engagierte Diskussion eingestellt und fand meine Fragen "oberflächlich." Möglicherweise habe ich aber auch nur aus Respekt vor ihrer Courage und der bevorstehenden theologischen Diskussion, zu der ich wenig beitragen könnte, vergessen, ihr genug zu schmeicheln. Aber auch Schmeichelei führt nicht zwangsläufig zu guten Antworten, wenn man zu Themen Fragen stellt, mit denen man sich nicht wirklich gut auskennt. Insbesondere aber bei Leuten, die an Schmeicheleien gewöhnt sind. Dazu zähle ich auch erfolgreiche Filmemacher. Bei Interviews mit ihnen kann es sinnvoll sein, erst einmal durch eigene Statements die Augenhöhe herzustellen, auf der das Gespräch stattfinden soll. Wer routiniert im Interviewgeben ist, braucht zwar möglicherweise nur ein Publikum als Fragensteller, erzählt dann aber auch nur, was er schon tausend Mal erzählt hat.

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