Donnerstag, 18. Juli 2013

Curb your enthusiasm

Den Humorgrad bestimmt schon der Titel: Die Hauptfigur Larry David, gespielt von Larry David, eckt an und macht sich lächerlich, wo das nur möglich ist. Die dramatische Krise ist stets eine des größtmöglichen Fettnapfs. Der wird über das Prinzip der einfachen inversen oder variierenden Wiederholung einer Situation generiert.

Ein Beispiel: Larry David hat mit seiner „Erfolgsformel“ einen Kellner bestochen und so schneller einen Platz im Restaurant zu bekommen. Der Grund dieses Bestechungsversuchs: Seine Frau leidet an Dermatitis und am liebsten hätte sie schon vor dem Essen ein entsprechendes Medikament aufgetragen. Larry hat aber vergessen das Rezept einzulösen. Der Bestechungsversuch hat also eigentlich seinen Grund in einer Vergesslichkeit bezüglich des Rezepts – klassischer komischer Konflikt. Bei der Bestechung selbst schiebt Larry versehentlich dem Kellner nicht den zusammengefalteten 20-Dollar-Geldschein, sondern das Rezept für das Dermatitis-Präparat seiner Frau über den Tresen. Die Verwechslung, ebenfalls ein klassisches Komödienelement, fällt ihm auf, als er im Drugstore das Rezept nicht mehr findet. Im Restaurant hat der Kellner das Rezept nach Dienstschluss wütend in den Müll geschmissen, weil er nicht an Verwechslung glaubt, sondern annimmt, Larry hätte ihn absichtlich reingelegt. Nun kann sich Larry in diesem Restaurant nicht mehr blicken lassen – und das Medikament hat er auch nicht. Das Ende der Episode verschränkt Rezeptabholung und Bestechung in einer doppelten Wiederholung: Es ist auf Umwegen gelungen, ein zweites Rezept zu bekommen. Als Larry David damit spät abends erneut im Drugstore auftaucht und gebeten wird, eine Dreiviertelstunde zu warten – weil eine Schlange von Patienten vor ihm dran ist – versucht er es erneut mit seiner erst erfolgreichen Bestechungsformel und wird wegen des Versuchs allein aus dem Drugstore geworfen. Als Larry am Schluss der Folge niedergeschlagen die Treppe zum Schlafzimmer hinaufschlurft, hört man nur noch, wie seine Frau sich verzweifelt kratzt...

Auch der zweite Strang der Folge arbeitet mit einer ähnlichen Dramaturgie: Larry beleidigt den afroamerikanischen Hautarzt seines Freundes mit einem flapsigen und latent rassistischen Witz. Als er mit seiner Frau aus dem oben genannten Restaurant in ein anderes flieht, weil er seinen Ex-Chef nicht ansprechen will, der drei Tische weiter sitzt, begegnet er einer afroamerikanischen Aufnahmeleiterin, die ihm vorwirft, dass er sie vor Jahren aus rassistischen Gründen nicht eingestellt hat. Als das Rezept verloren geht, sieht sich Larry gezwungen den afroamerikanischen Hautarzt aufzusuchen, bei dem zuhause eine politische Versammlung stattfindet – bei der auch die Aufnahmeleiterin auftaucht und ihrer frischen Wut freien Lauf lässt, weshalb hier das Ersatzrezept dann doch nicht ausgestellt wird, sondern bei einem anderen Hautarzt. Kleiner Scherz am Schluss: Als Larry den Apotheker zu bestechen versucht, drängelt er sich ausgerechnet vor einen afroamerikanischen Patienten.

Das beim Zuschauer anvisierte Gelächter über den unbelehrbar rassistischen und egozentrischen Larry David, der zu Recht für mangelndes soziales Fingerspitzengefühl abgestraft wird, stellt sich erst durch die Wiederholung politisch unkorrekter Verhaltensweisen ein: Unbelehrbar zeigt sich erst, wer mindestens in einer zweiten Situation nicht adäquat reagiert. Die Minimalpaarbildung von je zwei Szenen mit vergleichbarem Verhalten und inversen Reaktionen oder der Koppelung von drei Szenen, deren dritte die Reaktionen der erste beiden in einen Zusammenstoß führt, sorgt für eine gewisse Erwartungshaltung der sich potenzierenden Katastrophe in der Wiederholung. Man ahnt sofort: Die Bestechung funktioniert bestenfalls einmal und auch da schon spürt die Hauptfigur das offenbar so stark, dass sie nach Erfolg unter einem Vorwand in ein anderes Restaurant flieht. Der zweite Versuch der Bestechung erfolgt anlässlich eines scheinbar wesentlich harmloseren Anlasses, der nächtlichen Medikament-Abholung. Dass die scheitert, ist die in der Mechanik dieses Humors logische Pointe der Folge.

Ein weiterer Mechanismus taucht immer wieder auf: Larrys egoistischen Interventionen richten sich in der Szenenwiederholung gegen ihn selbst. Larry besteht beim Arzt darauf, vor der Patientin behandelt zu werden, der er in der Praxis den Vortritt gelassen hat: Sein Termin war früher. Die Sprechstundenhilfe erklärt, das spiele nur bedingt eine Rolle, wer früher am Schalter ist, ist früher dran. Als Larry sich beim zweiten Wettlauf mit der gleichen Patientin vordrängelt, wird er wieder später behandelt: Man hat auf seine Forderung hin die Regel geändert, die Patientin hat einen früheren Termin als er. Da nützt es natürlich wenig, dass sich Larry beschwert, dass eine Patientin nun vor ihm dran ist, die offensichtlich zu spät zu ihrem Termin gekommen ist. Aber auch hier funktioniert die Pointe über eine schlichte Wiederholung. Während viele erzählten Witze und Märchenwendungen eine dreifache Staffelung brauchen, um in der ersten Wiederholung das Setting zu befestigen und in der zweiten Wiederholung erst eine Wendung zu erzählen und absurde Komik die Wiederholung des Scheiterns ins Endlose verlängert, reicht der realistischen Komik einer solchen Serie eine einzige Wiederholung zur Darstellung der chronischen Unbelehrbarkeit, zur Dämpfung des Enthusiasmus. Wiederholung ist hier zwar das Grundprinzip, wird aber möglichst unauffällig eingesetzt und möglichst nicht überstrapaziert.

Komik braucht Wiederholung. Wenn sie ein Reibungseffekt ist, muss sich etwas an etwas bereits Etabliertem reiben. Das kann der Widerspruch zu einem früheren Verhalten sein, eine unerwartete Reaktion. Jede unerwartete Reaktion setzt jedoch Erwartung voraus, die wiederum erst einmal hergestellt werden muss. Bei Larry David wird diese Erwartung unterschwellig und grundsätzlich in einer konfliktlastigen ersten Situation hergestellt, in der sich Larry bereits "unangemessen" verhält. Man rechnet mit dem dort etablierten Verhaltensmuster, was dann bestätigt oder enttäuscht werden kann.

Lebenslügen

Biopics, die Verfilmung der Biografie von Persönlichkeiten, gelten als sichere Bank in der Filmindustrie. Offiziell suchen Hollywood-Agenten nach Stoffen für Lebensbebilderung, weil das Erfolg verspricht. Ob autistischer Mathematiker, britischer König, Musiker, Autor oder Premierministerin, das Muster ist ähnlich. Besonders beliebt sind die Verfilmungen der Biografien von Literaten, Brecht, Thomas Mann, Virginia Woolf. Das fiktionale Biopic hält sich krampfhaft an die Maxime, dass hinter jedem besonderen Buch auch ein besonderer Mensch stecken muss. Die Identität von Kunst und Leben.

Besonders ärgerlich wird die Beleuchtung des Menschlichen, wenn Margaret Thatchers Liebes- und Beziehungsleben sowohl über die Darstellung einer selbstbestimmten Frau als auch über die Darstellung einer mit äußerster sozialer Brutalität entscheidenden Politikerin triumphiert. Zwar lässt sich dieser angestrebte Kuschelfaktor erst auf der Zeitebene grenzdementen Greisin erzielen, aber allein die dahinter erkennbare Absicht, Politik auf persönliche Befindlichkeiten herunterzubrechen und noch für die härtesten Einschnitte im britischen Sozialwesen, für den gnadenlosesten Wirtschaftsliberalismus eine menschelnde Erklärung zu finden, die Mitgefühl verlangt, zeigt, wohin das Biopic steuert: Hier werden zu beliebigen Figuren der Weltgeschichte Sockel gekleistert. Was in meiner Jugend Bücher leisteten, die über die Entdeckung des Tuberkel-Bazillus als persönliche Glanztat eines Einzelnen raunten, ist aufs Filmgenre übergegangen, das sich eh meist um Einzelgeschichten bemüht. Doch in jedem Episodenfilm, der auf dem Globus verteilte Ereignisse ursächlich zusammenzudenken versucht, steckt mehr geschichtliche Wahrheit und politische Kompetenz, als im gesamten Genre des Biopics, das prinzipiell die Leistung des Kollektivs nicht kennt und das Politische aufs rein Persönliche verdünnt.