Nachtrag Unlimited-Filmfestival
Das Kölner Kurzfilmfestival Unlimited war vor allem eine Leistungsshow der Ludwigsburger Filmakademie. Deren Abschlussfilme sind erkennbar. Professionell ausgeleuchtete und farbnachbestimmte Filme, vielfach in CinemaScope-Handkamera gedreht. Gute und erfahrene Schauspieler in wiederkehrenden Rollen. Ob Dealer, Stricher oder in einem ifs-Beitrag ähnlicher Machart Boxer im Türstehermilieu, vielfach geht es um junge Männer am Rande der Gesellschaft, die Träume haben, die sich unter den Unterdrückungsbedingungen des Stuttgarter Nachtlebens nicht verwirklichen lassen und osteuropäische Frauen kennen und lieben lernen, die sich in Deutschland mühsam durchschlagen.
Der Versuch einer Anrufung des subkulturellen Milieus, von Migrationsproblematik und osteuropäischem Retro-Charme, um die üblicherweise einfachen Konlfiktlagen der Helden (Identitätssuche, Freischwimmen von der Familie) aufzuwerten, bleibt das, was diese Art Filme fast immer schon waren: bürgerliche Versuche, sich dem Nichtbürgerlichen zu nähern, als Theatergänger den Schiller'schen Räuber in sich zu entdecken. Seltsam angelernt wirken dabei sowohl die Milieus als auch die Drehbücher selbst, die ganz linientreu Aktschemata und gesetzte Plotpoints erkennen lassen, den Aufbau von Figuren mit rivalisierendem Wunsch und Bedürfnis (Want and Need). Ob einmal die Route 66 entlangzufahren oder einen Sommerurlaub in Stavanger zu verbringen, das sind die austauschbaren Träume solcher fahlen Helden. Träume, die wie von den Prospekten der Reiseveranstalter abgelesen klingen.
Stavanger stammte allerdings aus einem Film, der in der Filmreihe ein zweites wiederkehrendes Milieu-Klischee ausbreitete: Das vom Landleben. Der Trend zu einer Wiederanknüpfung an den Heimatfilm, gerne als historischer Bericht über die Zeiten vor der Industrialisierung, scheint mit der fortschreitenden Digitalisierung einherzugehen und bringt ähnlich blutarme Filme hervor wie der Wunsch nach einem dramatisch-kriminellen Dasein.
Überzeugend waren dagegen vor allem die Dokumentarfilme. Gegen die Hochglanzfilme künstlicher Welten, die wie das Warmlaufen für eine Fernsehfilmkarriere wirken, punkten vor allem "authentische Portraits" echter Randexistenzen, Menschenschmuggler an der türkisch-griechischen Grenze zum Beispiel, ein libanesischer Komponist, der mit dem Staatsschutz aneinander geriet. Nicht vergleichbar und doch als Beiträge eines Festivals notgedrungen im Vergleich. Es bleibt der Eindruck, Kleists ironischer Spruch von der Notwendigkeit, einmal um die Welt herum von hinten ins Paradies gelangen zu müssen, seit der Vordereingang versperrt ist, gilt vor allem für den fiktionalen Film.
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