Verspätete Notiz: Filmabend mit Jan Soldat
Vor einiger Zeit war ich bei einer Veranstaltung der Kölner ifs mit Jan Soldat. Der Filmemacher stellte seine Filme vor, eine Art sexuelles Kuriositätenkabinett, das der Idee verpflichtet scheint, dass jeder nach seiner Façon selig werden soll. Insofern d’accord. In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum reagierte Jan Soldat allerdings äußerst allergisch auf die Äußerung, seine Einstellungen seien ja manchmal „bewusst kunstlos“. Er wies das zurück.
Doch den Eindruck wurde ich bei diesen Filmen nicht los, dass die Kamera oft genug unbefriedigende Ausschnitte kadrierte und der Look der Filme zu sehr mit der Ablehnung der Geste des Gemachten spielt. Die Dinge sind so roh, wie sie die Kamera zeigt. Schwarzbild, nächstes Tableau. Filmemacher und Kamera wollen zurücktreten hinter das Tatsächliche, Alltägliche, das zum Schillern gebracht wird durch die sexuellen Vorlieben der Protagonisten. Die gehören eben nicht zum Alltäglichen, sind kein „Blümchensex“, wie das mal eine Frau mit einer SM-Beziehung in meiner Gegenwart bezeichnet hat.
Geliebt, die Geschichte eines jungen Mannes, der eine Beziehung zu seinem Schäferhund unterhält, war aber nicht wegen der Besonderheit dieser Neigung die stärkste, sondern weil sie Bilder und Orte fand, im Schnee, den dunklen Durchgang unter einer Straße, die mehr erzählen als nur das Aussprechbare und dadurch eine Einsamkeit spürbar machen, zu der die ungewöhnliche Leidenschaft tatsächlich eine Art Ausweg darstellte. Das mag dem Filmemacher bei seinen späteren Filmen als ein zu konventioneller Umgang mit der Bildsprache erschienen sein. Die angebotenen Lösungen fand ich jedoch nur bedingt überzeugend.
Jan Soldat war auf der HFF in Potsdam. Knapp noch zu DEFA-Zeiten hat dort Andreas Dresen sein Studium abgeschlossen. In einer neueren Kritik seiner Filme formuliert Pierre Gras, sie setzten auf „detailverliebte Reportage des Vorhandenen“, auf „künstliche Affirmation des Tatsächlichen“. Auch wenn die Vorwürfe gut belegt sind und ein Interview von Marco Abel die gegensätzlichen Impulse der Filmhaltung Dresens herausarbeitet, rettet meiner Ansicht nach in den gelungenen Momenten vor allem Dresens Humor und wie das immer wieder genannt wird „Charme“, auch Filme, die aufgrund ihres ästhetischen Ansatzes vielleicht problematisch sind. Ich bin da kein Purist.
Wenn der Wunsch, die Dinge „ungeschminkt“ darstellen zu wollen, überhand nimmt, wird die Sache problematisch. Realismus ist ein Stil, das weiß auch Dresen. Der Hauptansatz der Kritik von Pierre Gras ist trotzdem, dass bei Dresen das „Misstrauen gegenüber der Repräsentation“ fehle, das Filme der mit Farocki sozialisierten Regisseure auszeichnet. Dieses Argument trifft auch auf die Filme Jan Soldats zu. Humor und Charme ist bei Jan Soldats Filmen kaum gefragt, am ehesten in Zucht und Ordnung, in dem die Kameraarbeit allerdings unbefriedigend bleibt, speziell in Interview-Situationen. Die Vorliebe für aufsichtige Kamera in der Halbtotalen fand ich irritierend. Mag der Hintergedanke sein, den Zuschauer vor den sitzenden Protagonisten stehen zu lassen oder die Sitzenden aufgrund des Aufzeichnungswinkels besser in ihre direkte Umgebung einzubetten, so blieb für mich im Nachhinein das unschöne Gefühl, der Filmemacher vermeide konsequent eine Filmsituation „auf Augenhöhe“, als wolle er seinen masochistischen Protagonisten gegenüber die Position des „Herren“ einnehmen – die er damit auch dem Zuschauer anbietet. Diese Unbequemlichkeit des Standpunkts wäre vermutlich sogar interessant, wenn die Kadrierungen sitzen würden. Die fast immer zu hohe Kameraposition ist aber auch Ausdruck einer erzählerischen Dominanz, die durch Arrangement und Auswahl des Gezeigten de facto besteht, durch die betonte Schlichtheit von Schnitt und Kadrierung jedoch verschleiert wird.
Auch hier stellt Geliebt eine Ausnahme dar, weil die Kamera ein weniger angespanntes Verhältnis zu ihrem Darstellungsgegenstand sucht.
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