Donnerstag, 16. April 2009

Spuren

Die Pflege eines Vorgartens, die Neuorganisation eines Archivs, der Auftritt auf einer Bühne, Bücherschreiben und Filmedrehen. Diese unterschiedlichen Aktivitäten haben alle gemeinsam, dass der Täter unbedingt versucht, am Tatort Spuren zu hinterlassen. Die geglückte Organisation eines Raumes ist der Beweis, dass es uns gibt. Doch die Neigung der Dinge und Organismen, nicht still zu halten, macht jeden Versuch zunichte, dieser Organisation Dauer zu verleihen. Vom Einschlag des Kometen, der seinerzeit die Dinosaurier auslöschte, zeugen nur so geringe Spuren, dass man lieber von einer Hypothese redet. Der Schreck, der einen angesichts der Bilder befallen kann, die von der Zerstörung einer riesigen buddhistischen Statue gedreht wurden, von der turmhohen Nische, die nunmehr leer ist, beweist allerdings die Macht der Spur die hier getilgt wurde und die ihrerseits einem von Spuren eines verschwundenen Flussbettes gezeichneten Berg aufgezwungen wurde. Und auch der Bildbericht ist eine Spur, eine äußerst flüchtige. Sie droht im Gewirr der Bilder zu verschwinden. Eingeprägt hat er sich vielleicht nur einem Gedächtnis, als Spur. Endgültig unsichtbar wird diese Spur vielleicht erst durch dessen Tod.

In der Vielzahl von einander überlagernden Spuren ist das Spurenlesen schwieriger geworden. Die Lesbarkeit der Welt hat nicht mit der Vielzahl der Texturen zugenommen. Ähnlich wie jeder Überwachungsstaat seine Grenzen selbst produziert, wenn die Überwachung in Zeit und Aufwand beginnt, über das Überwachte hinauszuwuchern, Unleserlichkeit zu produzieren statt der gewünschten absoluten Klarheit, führt jede Steigerung der Verfügbarkeit von Informationen zu Undurchdringlichkeit. Das Angebot erschlägt. Präsenz neigt in der Masse dem Verschwinden, der vollständigen Anonymität zu. Auch ein Problem des Internet, in dem immer mehr verschwindet als aufscheint.

Wir sehen nur die sichtbaren Spuren, die erfolgreichen, in denen die Organisation eines Raumes für eine kurze Zeit gelungen ist. Zu jedem Film, der gezeigt wird, und wenn nur für wenige Tage in einem kleinen Kino, gehört jedoch immer ein weiterer, der gedreht wurde, aber niemals seine Zuschauer finden wird, eine verdeckte oder missglückte Spur. Was aber ist ein Film, den niemand sieht? Auf Marc Twain geht der Witz zurück, dass der beste Feldherr aller Zeiten nicht etwa Napoleon gewesen sei, sondern ein Schneider aus Schottland, der nur nie die Gelegenheit hatte, sein Talent zu beweisen.

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